Deutschland

Europäische Union: Opfer von Vergewaltigungen in den EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2020, aufgeschlüsselt nach Geschlecht (Fälle je 100.000 Einwohner)

Im Jahr 2020 registrierten die Behörden in Schweden je 100.000 Einwohner eine Quote von rund 86 Opfern einer Vergewaltigung. Dabei brachten rund 161,1 Frauen und rund 11,9 Männer pro hunderttausend Einwohnern eine Vergewaltigung zur Anzeige. Ohne Ausnahme brachten in allen EU-Staaten Frauen deutlich häufiger eine Vergewaltigung zur Anzeige als Männer. In der Schweiz brachten 2020 durchschnittlich 7,8 von 100.000 Einwohnern eine Vergewaltigung zur Anzeige. Ob es in Schweden tatsächlich zehnmal häufiger zu Vergewaltigungen kommt als in in der Schweiz, lässt sich mit den Zahlen dennoch nicht belegen, da sie nur das kriminalstatistische Hellfeld abbilden. 

 

Hellfeld vs Dunkelfeld

Während die Kriminalstatistik nur das Hellfeld (also die zur Anzeige gebrachten Straftaten) abbildet, bemüht sich die Dunkelfeldforschung das tatsächliche Gesamtaufkommen von Strafdelikten zu eruieren. Wie aus Viktimisierungsstudien hervorgeht, werden Sexualdelikte von Betroffenen nur selten zur Anzeige gebracht, sie kommen “nicht ans Licht” – das Hellfeld ist klein und das Dunkelfeld groß. Vergewaltigungen werden entgegen der häufigen Annahme nur selten von Fremden begangen. In der überwiegenden Anzahl dokumentierter Fälle kannten sich Täter und Opfer, waren miteinander verheiratet, verpartnert, verwandt oder standen in einem anderen Verhältnis zueinander. 

 

Anzeigebereitschaft korreliert mit sozialem Werte- und Normenwandel

Einen hohen Einfluss auf die Anzeigebereitschaft von Betroffenen spielt das gesellschaftliche Umfeld. Nicht nur in den westlichen Industrienationen vollzieht sich verstärkt seit den 1960er Jahren ein Werte- und Normenwandel in den Einstellungen zur sexuellen Selbstbestimmung.  
Vergewaltigungen in der Ehe stellen in den meisten Staaten mittlerweile einen Straftatbestand dar – in Deutschland seit 1997 und die gesellschaftliche Ächtung von Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat weltweit zugenommen. Die Resonanz der #MeToo-Debatte ist ein Beispiel für den sich vollziehenden Werte- und Normenwandel. Dieser Wandel verringert die Gefahr des Victim blaming (Täter-Opfer-Umkehr), das für Betroffene einer der Hauptgründe ist, eine Tat nicht anzuzeigen. 

Kurz: Je geringer die gesellschaftliche Akzeptanz sexualisierter Gewalt ist, desto eher steigt die Anzeigebereitschaft der Betroffenen und desto größer ist das Hellfeld. Die hohen Opferzahlen von Vergewaltigungen in Schweden oder auch England im Vergleich zu anderen EU-Staaten sind daher kein Beleg dafür, dass es in diesen Staaten mehr Opfer von Vergewaltigungen gibt. Aus wissenschaftlicher Sicht werden diese Zahlen recht einhellig als Indiz eines Normen- und Wertewandels in der Gesellschaft interpretiert, der zu einer Verlagerung von Fällen aus dem Dunkelfeld in das Hellfeld geführt hat. 

 

Einschränkungen 

Die vorliegende Statistik zeigt die Anzahl der Opfer von Vergewaltigungen je hunderttausend Einwohner in Mitgliedsstaaten und Beitrittskandidaten der Europäischen Union (EU), aufgeschlüsselt nach Geschlecht im Jahr 2020. 
Es handelt sich bei den Daten nur um Straftaten, die von der Polizei registriert wurden, die Dunkelziffer kann gegebenenfalls höher sein. Der Ländervergleich ist daher nur mit Einschränkungen möglich. Eine hohe Opferzahl kann je nach Straftat auch auf eine höhere Anzeigebereitschaft von Zeugen/Opfern oder besser funktionierende/engagiertere Strafverfolgungsbehörden im jeweiligen Land hindeuten. Hinzu kommen Unterschiede in den nationalen Gesetzgebungen und der Zählweise, die auch durch die Harmonisierung der Daten von Eurostat und UNODC nicht vollständig beseitigt werden können.

Veröffentlicht von Bruno Urmersbach, 17.01.2023

Quelle: statista.com

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